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The Quiet
The Quiet brings together five women in an unsettling choreography of the ordinary. They are quiet in action, set in motion by expressions of oral traditions.
Reciting, chanting and praying, they forcefully move into and out of defined and defining patterns, propelling the quotidian into transcendence.
By calling attention to that which is transmitted across generations, The Quiet engages with time in some of its overlooked forms: the taking of time, the passing of time, the falling out of time.
Credits
Choreography: Jefta van Dinther | Created and performed by: Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos, Agnieszka Dlugoszewska, Kristine Slettevold and Linda Adami | Lighting design: Minna Tiikkainen | Set design and costume: Cristina Nyffeler | Sound: David Kiers and Slowdive (for the track Falling Ashes) | Voice: Lisa Drake | Text: Jefta van Dinther, Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos and Mandoline Whittlesey | Assistant choreographer: Thiago Granato | Artistic advice: Gabriel Smeets | Technical coordination: Bennert Vancottem | Sound technician: Stephan Woehrmann | Thanks to: Anna Grip and Pia Krämer
The Quiet is a production by Jefta van Dinther | Manager: Emelie Bergbohm / Bohm Bohm Room | Production management: Annie Schachtel | Distribution: Key Performance | Administration: Interim kultur AB (svb) and HAU Hebbel am Ufer (Berlin) | Co-production: HAU Hebbel am Ufer (Berlin), Norrlandsoperan Umeå, Riksteatern Sweden, Dansehallerne Copenhagen, Centre choréographique national de Montpellier Occitanie direction Christian Rizzo, Tanzquartier Vienna, Sadler’s Wells London, PACT Zollverein Essen, Centre chorégraphique national d’Orléans, Theater Freiburg, Festival Montpellier Danse 2019 and Julidans Amsterdam | Funded by: Swedish Arts Council, City of Stockholm and HKF Hauptstadtkulturfonds (Berlin) | Supported by: O Espaço do Tempo Montemor-o-Novo, BUDA Arts Centre Kortrijk, Swedish Embassy in Portugal, The Swedish Arts Grants Committee
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©Ben Mergelsberg
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Texts
13.12.2019
Helmut Ploebst, Der Standard
"The Quiet" über den Zeitdiebstahl und die beschleunigte Gesellschaft
Was braucht man, um etwa mit Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk durch deren Jakobsbücher zu reisen? Richtig: Zeit. Genau auf diese haben es die grauen Herren in Michael Endes Roman Momo abgesehen. Jetzt erinnert der renommierte Choreograf Jefta van Dinther an den perversen Zeitdiebstahl unserer beschleunigten Gesellschaft. Sein jüngstes Stück, The Quiet, wird vom Tanzquartier Wien gerade in die Hektik der Vorweihnachtszeit gepflanzt.
Als Momo unserer Tage kann Greta Thunberg gelten. Per Zug oder Schiff reisend entzieht sie sich dem Klimakiller Beschleunigung. Die grauen Herren von heute sehen ihr dabei zu, als sähen sie ein Gespenst. An einer solchen Entgeisterung setzt The Quiet an und führt in eine traumähnliche Atmosphäre, die das Zeitgefühl zu bremsen scheint. Van Dinther (39) gehört sicher zu den Entschleunigern des zeitgenössischen Tanzes. In The Quiet bewohnen fünf Tänzerinnen die vagen Tiefen eines imaginierten Unbewussten. Bei Dämmerlicht dringen sie in das "Gespenst" eines unfertigen Hauses ein und öffnen eine Bodenklappe: ein Höllentor, aus dem Licht und Popmusik dringen.
Poetisches Stück
Ihre Welt gleicht einem Fluchtraum, in dem Stimmen wie aus Erinnerungen laut werden. "Die Leute glauben, du wärst ruhig, aber das bist du nicht. Du magst die Konfrontation", sagen sie, oder: "Du misstraust der Technologie." Es ist ein herrlich poetisches Stück. Es bietet viel Platz für Gedanken und Interpretationen. Dem sich analytisch orientierenden Blick bietet es mit gelassener Geste Paroli; der Penetranz ungeduldiger Lektüre lässt es nicht die geringste Chance.
15.12.2019
Rando Hannemann, Online Merker
Was konstituiert uns? Sind wir unsere Erinnerungen? Und was geschieht, wenn wir vergessen? Jefta van Dinther widmet seine jüngste Performance „The Quiet“ solcherlei Fragen. Fünf Frauen performen in einem perfekt abgestimmten Setting aus Bühne, Licht, Kostüm, Sound, Text und Zeit ein düsteres Stück über den Verlust von Erinnerungen. Im erweiterten Sinne. Und er fragt: Was ist Kultur?
Sie sind im Dunkel, und wir im Licht. Weil wir noch wissen. Das Skelett eines Hauses, ein Stahlgerüst nur, steht auf der dunklen Bühne. An den Seiten die fünf Performerinnen Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos, Kristine Slettevold und Linda Adami in hellen knielangen Röcken/Hosen, wattierten Westen und Turnschuhen (Bühnenbild und Kostüm: Cristina Nyffeler). Eingespielter Text begleitet ihr tastendes Suchen. „This is where it starts. What is the procedure?“ „Je mehr wir reden, umso realer wird es.“ Das Saallicht verlischt langsam. Sie begegnen sich kurz, scheinen sich auszutauschen, formieren sich hinten zur Gruppe, die zögernd den Vorstoß wagt vors Haus, und hinein. Eine, als sie endlich sitzt auf ihrem Klappstuhl, weint. „Killing me softly!“ erklingt kurz und dumpf. Drei andere tragen draußen miteinander boxend ins außen verlagerte innere Kämpfe aus. Womit jenes Innen und Außen eingeführt wäre, nur eine der vielen mehrdeutigen Polaritäten an diesem Abend.
Ohne Eile entwickeln sich die Ereignisse. Eingebettet in einen Soundtrack (David Kiers), der, teilweise auch live gesungen, von Ferne klingend, dumpf und kaum kenntlich anklopft ans Bewusstsein. Manchmal aber wird es reiner in Klang und Struktur. Die Bilder reihen sich, voll von Metaphoriken. Die fünf finden sich, im traulichen Miteinander, ein am Kamin, der bald, es kracht der Sound und blitzt die Feuerstelle, mutiert zum Höllenschlund. Aus dem sie Stangen ziehen und Haut für ein Zelt, das, draußen endlich aufgestellt, innen beleuchtet, erst schützender Ort wird für Harmonie, bald jedoch Dämonen zeigt als Schatten an den Wänden. Es wird erzählt vom Leben mit seinen flachen Momenten, als ob es sein Gewürz, seine Klarheit verloren hätte. Und nach der Panik vor dem Zelt, sie regredieren zu sich wie Affen auf dem Boden bewegenden Wesen, „wird der Fluss ruhiger, und ruhiger, und ruhiger …“ Es tröpfelt der Sound. „Wir erzählen Dir ein paar Dinge, und es wird sein, als ob Du sie immer gewusst hast.“
Wie in der Schule sitzt eine vor der Vierer-Reihe. Und das Weitergegebene lebt in jeder anders weiter. „Du machst Dir Sorgen um die Nachfolge. Du beobachtest, sitzt still. Aber Du bist nicht ruhig. Und Du gehst und gehst und gehst …“ Seinen Höhepunkt erreicht das Stück, wenn die Frauen aus der Vereinzelung in das Gehen von fünf sich überlappenden Kreisen finden. Zu einfachen, harmonischen, repetitiven Klängen gehen sie und gehen. Es ist ein Pentagramm, das sie kreisen lassen, durch die Wände des Hauses hindurch. Das alles durchdringende und umschließende Symbol für den Menschen und die fünf Elemente. Es ist rauschhaft. Wie in Trance. Langsam zerfällt diese Ordnung im Bild und im Klang. Stehend nun schauen sie auf in ein Licht, breiten die Arme aus, ziehen es zu sich. Diese Anbetung des Mondes, des Symbols des Wechsels und Wandels und des Ja zum Leben, gerät zu einem Akt der Befreiung. Gelöst und ganz geöffnet sich bewegend nehmen sie an, was ist und was kommt. Die Spitze des Pentagramms, der Kopf und der Geist, beginnt im Hause ein Loch zu reißen in den Boden. Die anderen kommen hinzu. Und am Ende stehen sie und blicken ohne Angst, fast neugierig, in das tiefe, stille, schwarze, glänzende Dunkel, das auf sie wartet.
Die fünf Frauen auf der Bühne haben allesamt Bedeutung in van Dinthers Leben. Zwei sind ehemalige Chefinnen, alle Kolleginnen. Daher dieser Cast. Doch ebenso verkörpern sie das weibliche Prinzip des Bewahrenden, des Behütens und Beschützens. Der dieses Prinzip unterlaufende Prozess der geistigen Auflösung und Auslöschung wird musikalisch und tänzerisch mit äußerst reduzierten, jedoch um so wirkungsvolleren Mitteln gestaltet, zwischen mentaler Dumpfheit und Klarheit, von der entwurzelnden Verunsicherung bis in die totale Freiheit.
Zu „The Quiet“, uraufgeführt am 7. März in Berliner HAU (Hebbel am Ufer), ließ sich der schwedische, in Berlin lebende Choreograf Jefta van Dinther von dem an Alzheimer erkrankten Ingmar Bergman inspirieren, der das vergessene Wort „Raum“ umschrieb mit „das Ding mit Wänden“. Was er gemeinsam mit seinen Performerinnen und seinen langjähigen PartnerInnen für Sound- und Licht-Design, Bühne und Kostüm daraus entwickelte, ist ungemein poetisch, vieldeutig und assoziativ. Die psychologischen, sozialen und gesellschaftlichen Aspekte und Effekte des Verblassens von individuellen wie kollektiven Erinnerungen werden in beeindruckende Bilder übersetzt. Alles hat zwei Seiten. Beruhigung und Verunsicherung, Schutz und Bedrohung, Gut und Böse, Leben und Tod. Haus, Kamin, Zelt, Pentagramm, Abgrund. In jenen lässt er uns blicken, weil die überliefernde Infusion von Erinnerungen unterbrochen, unterbunden wird. Nicht nur durch Alzheimer. Und damit erhält das Stück eine weit über seine vordergründige Thematik hinausreichende, politische Dimension. „Die Welt schlägt so vieles vor.“, sagte Jefta van Dinther im Publikumsgespräch. So auch diese Arbeit. „The Quiet“ ist dicht, aber nicht aufgeregt, es ist melancholisch und berührend, ohne sentimental zu sein, und es ist ruhig. Darin liegt seine ungeheure Kraft.
13.12.2019
Ditta Rudle, Tanzschrift
Ein Höhepunkt der zu Ende gehenden Halbsaison im Tanzquartier. Jefta van Dinther zeigt mit fünf Tänzerinnen aus dem Cullberg Ballet „The Quiet / Die Ruhe“. Ein dunkles Tanzstück wie ein Traum. Mit alltäglichen Bewegungen gehen die Frauen singend, sprechend und betend ihrer Wege. Die Zeit bleibt stehen. Uraufgeführt im Frühjahr 2019 in Berlin, hat das jüngste Werk des schwedischen Choreografen am 12. Dezember in Wien Premiere gehabt.
In einem offenen Haus, von dem nur die Strukturen zu sehen sind, tanzen die Frauen auf verschlungenen Pfaden, verlassen das Haus, um wieder zurückzukehren, vereinen sich, zu zweit, zu dritt, bilden einmal eine Kette und tauschen miteinander, wörtlich und mit Gesten, uralte Erinnerungen und Traditionen aus. Dämmerlicht lässt die hellen Kostüme leuchten, von den Gesichtern ist anfangs nichts zu sehen. Über den Röcken und kurzen Hosen tragen alle rosafarbene wattierte Schutzwesten. Sie bewegen sich innerhalb und außerhalb des Hauses, tanzen durch Raum und Zeit. Oder, mit Richard Wagner gesagt, „die Zeit wird hier zum Raum“. Alte Rituale, wie die Anbetung eines leuchtenden Mondes oder das Ritual am Feuer, werden wach; die neue Zeit spiegelt sich in den kleinen Sätzen und in einer langen Rede aus dem off: „Je mehr wir erzählen, desto realer wird es.“
Auch die Rede scheint einem Traum zu entstammen, sie mäandert um ein Thema und gegen Ende wird das Wort „quiet“ wiederholt, in dem die Stimme immer leiser und leiser und leiser wird. Ein schöner Traum, dem ich mich ganz hingebe.
Wie die Nornen sitzen drei vor einem Feuer, das aus der Tiefe leuchtet, nachdem am Rand der Bühne eine Falltür geöffnet worden ist. Sie summen und singen mit der wohltuenden Musik und warnen vor der täglichen Hetzjagd, die unsere Tage prägt. Der Rat aus China: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“, gilt auch für Europa. Die fünf Frauen kennen den Satz, das Wissen ist seit Generationen weitergegeben worden. Van Dinther meint wohl, von Frauen weitergegeben worden, nicht ohne Grund lässt er zum ersten Mal nur Frauen tanzen. Diese Fünf stehen, wie er gern betont, in besonderer Verbindung mit ihm und waren alle wichtig für seine künstlerische Laufbahn. Sie waren zu unterschiedlichen Zeiten Mitglieder von Cullberg, wofür van Dinther zwei abendfüllende Ballette kreiert hat: „Plateau Effect“ (2013 im Tanzquartier) und „Protagonist“ (2017 im Tanzquartier). Er war Teil des künstlerischen Transformationsprozesses, den Cullberg durchlaufen hat und ist seit 2019 (bis 2021) Associated Artist in Stockholm. Die in „The Quiet“ auftretenden Frauen sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. So sind sie das lebendige Beispiel für das Erinnern und das Weitergeben der Tradition.
Van Dinther erzählt, dass ihm die Idee, ein Stück über das Erinnern zu machen, bei der Lektüre des Romans von Linn Ullmann „Die Unruhigen“, in dem sich die Autorin an ihren Großvater Ingmar Bergman erinnert, gekommen ist. Gegen Ende seines Lebens hat Bergman unter Gedächtnisverlust gelitten und hat zwar gewusst, was er sagen will, doch die richtigen Begriffe nicht mehr zur Verfügung gehabt. Er hat von dem „Ding mit den Wänden“ gesprochen, weil er das Wort „Zimmer“ nicht gefunden hat. Das Ding, ohne Wände, steht nun als Gerüst für „The Quiet“ auf der Bühne. Am Ende laufen alle fünf auf sich kreuzenden Bahnen im Haus und außen herum, immer und immer wieder. Meine Ungeduld wird von einer Trance überdeckt, die mich auch zum Träumen verleitet, die Frauen dürfen laufen, so lange sie möchten. So ist das Leben, alles bewegt sich im Kreis, alles wiederholt sich.
Auch die Themen, um die van Dinthers Denken und Schaffen kreist, sind immer ähnlich: Das Sichtbare und das Unsichtbare, Dunkelheit und Affekt, Verschmelzung von Bild, Ton, Licht und Bewegung zu einer Einheit und auch immer wieder die Arbeit. Auch in „Quiet“ wird gearbeitet: Bodenfliesen werden herausgerissen und zu Stapeln geordnet, später auch wieder eingesetzt; ein Zelt wird gebaut, das von innen beleuchtet wird. Bewegt zeichnen sich die Schatten der Tänzerinnen ab. Ich möchte das Ende dieses wunderbaren Tanzstückes hinausdehnen, weiterhin auf die dämmrige Bühne schauen, der Musik lauschen und meine Gedanken spazieren schicken. Doch an diesem Abend hat der Zeitablauf seine Relevanz verloren, die Zeit beweist ihre Relativität, 60 Minuten sind (diesmal) viel zu kurz.
Das Publikum erwacht nur ganz langsam aus der fernen Welt, verzichtet auf das übliche Gejohle, lässt allen Zeit, ins Hier und Jetzt zurückzukehren, der Applaus beginnt spät und spricht für Begeisterung.
19.10.2019
Marit Strandberg, Västerbottens-Kuriren
Livets schiffer verkar olösligt
Jefta van Dinthers The Quiet piskar upp en känsla av hopplöshet och sorg.
Scenrummet är enkelt uppbyggt med en fyrkantig stålkonstruktion i metall som reser sig över golvet . De fem dansarna rör sig till en början i den oupplysta marginalen för att sakta, var för sig, erövra platser i ljuset.
Som en vit måne kastar en strålkastare sitt kalla ljus över de dansande, iförda fordrade gråa västar som blir som tidlösa sköldar över halvlånga klänningar. Denna akt skall behandla tid, men här speglas lika mycket tillståndet av tidlöshet. Kanske nuddar vi vid döden och dess outforskade plasticitet?
Dansarna rör sig långsamt tillsammans och uttrycker med sina kroppar de flera åldrar som de skall gestalta. Avlägsna brusande ljud i bakgrunden samsas med orden som kommer ur högtalarna om den obönhörliga vägen mot det tomma svarta mysteriet, vandringen som är livet som skall fyllas och erfaras.
Rädslan att inte bli framgångsrik och ”You worry a lot, and then you worry that your worrying is going to wear you down.” En mening som återkommer i föreställningen och än en gång ger samma känsla av allmänmänskligt igenkännande. Märkligt nog berör partiet där de dansande helt enkelt går över scengolvet i samma raska takt - varv på varv på varv på varv - djupast. I denna upprepning piskas det upp en suggestiv känsla av hopplöshet och sorg.
Tillsammans med de olika generationerna gestaltas här det gemensamma livets evighetsvandring där vi aldrig kommer aldrig fram till målet eller meningen. Livet syns som ett olösbart schiffer.
15.07.2019
Alexander Hiskemuller, Trouw
Julidans dwingt de toeschouwer uit de ratrace van het moderne bestaan te stappen
Maqamat Dance Theatre/#minaret ★★★★☆
Ivana Müller/Conversations Out of Place ★★★★☆
Fernando Belfiore/The Fountain ★★★☆☆
Christos Papadopoulos/Ion ★★☆☆☆
Jefta van Dinther/The Quiet ★★★★☆
Een zoemende drone cirkelt dreigend boven de half ontblote Libanese danser Omar Rajeh. Zijn torso trilt, zijn voeten roffelen, hij strekt zijn armen uit totdat het niet verder kan. De drone kijkt met groene laserogen op hem neer, klaar om elk moment toe te slaan.
Dit beeld uit de voorstelling ‘#minaret’ van Maqamat Dance Theatre is een van de indringendste uit de afgelopen editie van Julidans, het internationale festival voor hedendaagse dans in Amsterdam. De titel verwijst naar de toren van de Umayyad-moskee in het Syrische Aleppo, het icoon van het sociale, religieuze en culturele leven in de stad dat in één klap aan puin werd geschoten.
Rajeh geeft een heel persoonlijk commentaar op een ondenkbare gebeurtenis, die tekenend is voor de onvoorspelbare en vaak gevaarlijke wereld waarin we leven. De voorstelling past in de trend in de hedendaagse dans om iets persoonlijks tegenover ‘grote’ ontwikkelingen te stellen, ontwikkelingen waar het individu geen vat op heeft en zich daardoor, wellicht, hopeloos en onmachtig voelt.
Autonomie
Vanuit dat idee probeert de Duitse choreografe Ivana Müller in ‘Conversations Out of Place’ de autonomie over ons leven terug te eisen. Vier personages met een rugzakje en een kamerplant zijn op zoek naar de uitgang van een, aan de beestengeluiden te horen, denkbeeldige jungle. Ze mijmeren wat over de relatie tussen mens en natuur in abstract-filosofische bewoordingen, terwijl ze zich voortbewegen in een tergend slowmotion. De scènes in slakkegang krijgen middels videoprojecties af en toe tijdsaanduidingen mee: een dag later, zoveel weken later, tig jaar later. Hoelang zijn deze mensen in hemelsnaam al op pad? En waar is die uitgang nou?
Uit de terloopse dialogen kunnen we prangende vragen distilleren, zoals: zou de natuur het erg vinden als wij er niet meer zijn? Het is heel bijzonder hoe Müller zo ruimte schept voor bezinning.
Paradijsvogels
Fernando Belfiore (Brazilië) komt daarentegen met een uitgesproken ecologische boodschap in ‘The Fountain’. Zeven dansers, uitgedost als extravagante paradijsvogels in goudlamé en pailletten, gaan zich te buiten aan een even gulzig als onverschillig bacchanaal met plastic flessen water. Ze schenken ze wellustig uit in hun mond, spugen het water in fraaie boogjes weer uit als de zeegoden in de Trevifontein. Ondertussen verandert het speelvlak in een waterpoel gevuld met eigen plastic afval. Een slok water die van mond tot mond gaat, verandert van kleur in bloedrood.
In deze Julidans-editie gaat het opvallend vaak over het zoeken naar verbinding. Niet voor niets gebruikt Belfiore de metafoor van de fontein, als plek waar mensen ooit als gemeenschap samenkwamen. In ‘Ion’ neemt de Griek Christos Papadopoulos dat nogal letterlijk. Hij laat zijn dansers als atomen heup aan heup samenklitten in een trancestroom van minimalistische beweging. Het vereist héél geconcentreerd kijken om in de traag kolkende bewegingssoep van schuifelvoeten en kronkel-armen enige differentiatie en interactie te vinden. Langzaamaan ontstaan er deelformaties en worstelt een individu zich los. Esthetisch boeiend, maar al met al een te ijl pleidooi voor verstilling, dat dus ook in no time weer vervliegt.
De basis
Met de voortrazende technologische ontwikkelingen lijkt de mens zelf er steeds minder toe te doen. Verschillende makers proberen uit de hectiek van de moderne maatschappij te stappen. Jefta van Dinther houdt het dicht bij zichzelf. De Zweeds-Duitse choreograaf ging terug naar zijn basis: wie en wat hebben hem gevormd als choreograaf maar vooral als mens? Voor ‘The Quiet’ werkt Van Dinther samen met vijf danseressen – de oudste is in de 60 – die in zijn carrière van betekenis zijn geweest. Je zou de wereld die hij schept een onthaastingsritueel kunnen noemen, waarin tegenstellingen als ‘oud-jong’, ‘binnen-buiten’ en ‘licht-donker’ tegen elkaar in stelling worden gebracht. De choreografie voltrekt zich in grote rust, maar krijgt allengs mythische proporties. Als de vrouwen voor een lichtbron plaatsnemen, en het schijnsel op hun gezichten valt, vraag je je af of de vrouwen als oermensen bij een kampvuur zitten of voor een opengeklapt computerscherm. Hoe Van Dinther ons dwingt om even uit de tijd te stappen, is ronduit magisch.
Julidans bood ervaringen die de toeschouwer dwingen uit de ratrace van het moderne bestaan te stappen. Of die daadwerkelijk ruimte maken voor de ingewikkelde vragen waarvoor de mens zich in deze tijd ziet gesteld. Dat leidde tot een louterende twee weken dans in meer dan dertig verschillende producties, waarmee Julidans maar weer eens bewijst een onmisbaar internationaal dans(theater)platform te zijn.
06.07.2019
Elise van Dam, Theaterkrant
Een grilling door de tijd vertakkend wordingsprocess
Midden op het toneel staat een constructie van steigerbuizen, als het geraamte van een huis dat nog gebouwd moet worden. Op de vloer liggen donkergrijze rubberen tegels, hier daar gestapeld, want ook die vloer is niet af. Jefta van Dinthers The Quiet is een voorstelling over wording. Over wat het betekent iemand te worden, een vrouw te worden en over hoe dat worden ook altijd een reiken is naar het verleden. Zoals een boom twee kanten opgroeit, de stam richting de hemel, de wortels zich uitstrekkend in de aarde.
Voor zijn nieuwste choreografie werkte Van Dinther voor het eerst met alleen maar danseressen, vijf vrouwen die iets betekend hebben voor zijn persoonlijke en artistieke ontwikkeling: Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos, Agnieszka Dlugoszewska en Kristine Slettevold. Vijf vrouwen die in leeftijdsverschil ruim twee decennia omspannen. In een reeks traag uitgesponnen scènes worden een soort bewegende tableaus gecreëerd die elk op een manier linken aan dat wordingsproces.
Wanneer de vijf vrouwen zich aan het begin van de voorstelling over het podium beginnen te verplaatsen zijn hun bewegingen niet wat we vrouwelijk zouden noemen. Misschien niet eens menselijk. Het is alsof ze deze lichamen pas net hebben gekregen en nog ontdekken hoe ze die rare ledematen in bedwang moeten houden. Op grote sneakers en gekleed in tinten wit gaan ze met grote stappen door de ruimte, de rug gekromd, armen zwaaiend en wijzend. Gedurende de voorstelling verandert hun manier van bewegen continu. Soms is er de stramheid van oude lichamen, dan plots de souplesse van de jeugd, het ene moment zijn de bewegingen vloeiend, het andere hoekig.
In The Quiet is wording geen lineair proces, maar juist een grillig door de tijd vertakkend verloop. Een van de thema’s van de voorstelling is hoe we kennis van eerdere generaties in ons dragen en hoe die via een scala aan rituelen wordt overgedragen, soms zonder dat we ons ervan bewust zijn. Alsof die kennis door de generaties heen stroomt. Het is een idee dat terugkomt in veel scènes, die vaak iets ritualistisch hebben. ‘We are going to tell you some things and then it’s going to be like you’ve always known them’, klinkt een stem. Vervolgens wordt langzaam een mens opgeroepen in woorden. ‘People think you are quiet, but you are not.’ ‘You worry too much.’
In een andere scène wordt een luik in de vloer geopend, een fel van kleur veranderend licht stijgt op, uit de diepte klinkt een gezang dat uit een andere tijd lijkt te komen. De vijf vrouwen cirkelen rond die opening in de vloer, als nieuwsgierige dieren. Ze bootsen de stem na. Want ook dat is identiteitsvorming, we worden onszelf door de ander na te doen. Zo wordt de spanning geregeld gezocht in dat spel van identificeren met de ander en het verlangen zich te onderscheiden, wat zich vertaalt in de bewegingspatronen van de danseressen. In hoe ze elkaar volgen en opzoeken of juist een eigen weg kiezen.
Van Dinthers stijl wordt gekenmerkt door minimalisme en het uitrekken van de tijd. Wanneer dat ineen klikt, levert dat een hypnotiserend effect op dat een aantal scènes hier ook weet te bewerkstelligen. Zoals wanneer de vijf vrouwen rondjes lopen en hun schijnbaar willekeurige en afzonderlijke patronen langzaam overgaan in een op elkaar afgestemd patroon. Hier werkt het oprekken van de scène en het monotone ritme van de stappen om de toeschouwer volledig onder te dompelen.
Helaas zijn er ook elementen die minder goed werken. Zoals een scène waarin de vrouwen al dansend een tent in elkaar zetten in de lucht. Hoe vloeiend de danseressen die handeling ook proberen te maken, het concrete opzetten van een tent blijft net te herkenbaar, wat de betovering ervan verbreekt. En de tent zelf wordt nooit het surreële object dat Van Dinther lijkt te willen.
Mooi is hoe het lichtontwerp van Minna Tiikkainen in sommige scènes de ruimte openbreekt om die dan weer te vernauwen, maar in een aantal delen van de voorstelling is het licht zo spaarzaam dat nauwelijks te onderscheiden is wat er op het toneel gebeurt. Daarbij krijgen de vijf vrouwen door die donkerte, op een paar momenten na, letterlijk geen eigen gezicht. En dat is, in een voorstelling over identiteit en wording, toch wel een manco.
Empruntant autant aux rituels qu’aux danses traditionnelles, Jefta van Dinther donne aux gestes coutumiers des airs d’éternité. Avec The Quiet, il convie à un moment par de là l’espace qui manque de couleurs, de saveurs, mais pas de densité, ni de beauté.
29.06.2019
Olivier Frégaville, L'oeil d'olivier
La danse lancinante et transgénérationnelle de Jefta van Dinther
Dans un univers post-apocalyptique, le chorégraphe néerlando-suédois Jefta van Dinther invite sixdanseuses d’âges et de corpulences différentes à mimer les gestes du quotidien, les répéter pour mieux les transmettre. Jouant sur les clairs-obscurs, suspendant le temps, il signe un ballet transcendantal, captivant bien qu’un peu trop monochrome.
Le monde semble avoir été dévasté. Ne reste sur scène qu’une structure métallique rappelant la carcasse d’une maison. Dans la pénombre, d’étranges fantômes hantent les lieux. Ils errent comme des âmes en peine. Mouvements saccadés, robotiques, presque zombieques, ces six ombres cherchent à retrouver un semblant de vie. Se raccrochant à des gestes familiers, elles finissent par se rassembler, puis à réitérer inlassablement les mêmes actions. L’une imitant l’autre.
Plongé dans une semi-obscurité, nimbé d’une lumière très diffuse, le plateau prend vie avec une douceur, une lenteur hypnotisantes. Une voix s’élève contant, en anglais ,un mantra qui souligne l’importance de la répétition, de l’apprentissage, de la transmission. Plus un mouvement est renouvelé, plus il devient réel. Il s’ancre dans le quotidien pour l’éternité. Femmes, déesses, prêtresses d’un monde à réinventer, les six danseuses, vêtues de beiges, invitent le public à entrer dans une transe presque indolente.
Rien ne dépasse, tout est lissé, tout se ressemble. Forçant le trait de la monotonie, Jefta Van Dinther donne une profondeur poétique à la banalité de vie, à ces petits riens, ces petites choses que l’on fait sans y penser mais qui donne une consistance à l’existence, une valeur, une richesse. Si certains tableaux pourraient faire penser à une Guerre du feu version féministe, l’ensemble, magnifiquement souligné par le jeu des lumières, les clairs-obscurs, il livre sa vision d’une société quelque peu aseptisée qui tient sa force dans la transmission intergénérationnelle d’un savoir-faire.
Malgré leurs différences, toutes les interprètes – Linda Adami, Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos, Agnieszka Dlugoszewska et Kristine Slettevol – semblent se lover dans un même un moule. A coup de prières, d’incantations, de rengaines, de sempiternelles ritournelles, elles ne font plus qu’un. Communion d’idées, de pensées, elles abandonnent leur identité pour en construire une nouvelle riche de leur diversité.
Empruntant autant aux rituels qu’aux danses traditionnelles, Jefta van Dinther donne aux gestes coutumiers des airs d’éternité. Avec The Quiet, il convie à un moment par de là l’espace qui manque de couleurs, de saveurs, mais pas de densité, ni de beauté.
20190622
Paris Art
The Quiet
Avec The Quiet, le chorégraphe Jefta van Dinther livre une pièce traversée par le temps, son épaisseur, et la nécessaire transmission intergénérationnelle. Interprété par cinq danseuses, The Quiet met au jour la fine et fragile ligne qui sépare quotidien et éternité.
Pièce douce et profonde, The Quiet (2019) du chorégraphe néerlando-suédois Jefta van Dinther réunit cinq danseuses. Cinq femmes lentes et mouvantes, dans leurs gestes quotidiens. Silencieuses, pour autant la pièce ne l’est pas. Éparses, des voix racontent. Sur scène, dans la semi-pénombre, une femme est abordée par une autre. Lentement elle lui dit, mimant la voix enregistrée qui énonce : ‘Nous allons te raconter des choses, et bientôt ce sera comme si tu les avais toujours sues.’ Tout est lent, mesuré, posé. La femme écoute, se détourne un peu, semble hésiter. Une autre femme arrive, lui parle avec une autre voix, masculine : ‘Plus nous raconterons, plus cela deviendra réel.’ Sont-ce là les voix du destin ? De ces figures mythiques qui filent, font et défont les vies ? Une autre femme approche, poursuit le récit entamé : ‘Les gens pensent que tu es silencieuse, mais tu ne l’es pas.’
The Quiet de Jefta van Dinther : éloge de la lenteur et de la profondeur
Alternant mouvements, voix, paysages sonores (comme des pas dans la neige) et gouttes de piano (Falling Ashes de Slowdive), The Quiet déploie une poétique de l’expérience. Les femmes qui peuplent l’espace scénique, même habillées pareil, sont de générations différentes. Et quelque chose se joue de la transmission. De celle qui rattrape et interroge. Pas d’esclandre, pas de cri, pas de surgissement survolté. C’est dans la lenteur du questionnement et de la répétition des gestes que The Quiet érode et corrode les certitudes. Calmement, dans la fêlure du présent, la danse distille quelque chose d’atemporel. La scène est sobrement apprêtée, dans une demi-obscurité qui resserre l’espace autour d’un foyer. Comme si quelque vérité éternelle allait se dévoiler au coin du feu. Les gestes sont mesurés, ou plutôt chargés. Chaque femme, dans chaque pas, semblant porter avec elle le corps et les souvenirs de milliers d’autres femmes.
La transmission intergénérationnelle : une danse sur le fil, entre quotidien et éternité Interprété par Linda Adami, Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos, Agnieszka Dlugoszewska et Kristine Slettevold, The Quiet passe par la récitation, le chant et les prières pour faire affleurer quelque chose de ce qui se transmet de génération en génération. La tradition des gestes et la tradition orale sont ici deux vecteurs aussi puissants que les récits historiques. Hors de tout contexte sinon celui du présent pur, en train de se dérouler, The Quiet met au jour une force à la fois discrète et comme immuable. Par delà les âges : une force qui modèle et module les corps, les gestes, les voix. Comme la marée, perpétuelle dans sa puissance d’organisation et de destruction. Moment de souffle dans le tumulte, The Quiet souligne ainsi une autre dynamique que celle du buzz. Et à l’écart des bulles vite consommées vite oubliées, la pièce déploie une temporalité qui invite à explorer d’autres émotions.
À retrouver en première française au festival Montpellier Danse 2019.
20190604
Tomas Adam-Garnung, Ballroom Revue
The Quiet
Beyond the big headliners who make the program of this year’s edition of Montpellier Danse (Charmatz, Rizzo, Preljocaj, Forsythe, Keersmaeker ...), there will be the chance to discover the work of the Swedish choreographer Jefta van Dinther, too rarely presented in France. The Quiet stages five women as survivors of an apocalypse: they progress together slowly, joltily, with bent-folded bodies, through the semi-darkness, in what could be the remains of a house after a nuclear explosion. Dressed in uniform and colourless clothes, left to themselves and forming a multi-generational family, without men, without fantasy, they sync like robots to phrases transmitted from the speakers in the room. Emphatically, shamanic and ancestral rituals are brought about one after another: first singing around a totally artificial campfire, then each individual walking in its own circle, and finally gathering to perform a secret ceremony and shadow play in a tent. And although they seem to speak of yesterday and today from a future a little dark, almost hopeless, the magic is at work. One is as if transported through the dust of time, in a tranquil dream and of a great richness, on the verge of reaching a truth which always escapes, finally opening up to an infinitely poetic prophecy.
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20190328
Annette van Zwoll, Springback Magazine
Quantum leaps in time… a mysterious world holds on to its secrets
‘We’re going to tell you some things. It will be like you’ve always known them’. In the dim light, four women corner a fifth. Their words sound like a promise, as if all secrets of the world will be revealed. The Swedish-German choreographer Jefta van Dinther has yet again created a world on its own.
When the light finally illuminates their faces, the suggestion that the women are of different generations is confirmed. They are dressed similarly in grades of white, skirts just below the knees, and they walk on grey carpet tiles, surrounded by a steel skeleton resembling a house. Their backs are bent and their legs crooked, like grandmothers who gained wisdom in long forgotten times. But through their slow-motion movement and their arms bouncing as if hanging from a string, they also remind me of marionettes. And dubbing the text that emerges from the speakers gives them something robotic and futuristic. The multi-layering continuously moves you back and forth between a time far, far away and the present. Sentences like ‘You worry too much. You are ambitious’ appear current, while the ritual of singing around a light from the ground feels ancient. Supported by the pulse of the soundtrack and minimal but effective lighting, quantum leaps in time seem to float around in the same space. This tangibility of non-linear time is of great beauty. Some moments fall through though: when the women take out a tent from under a hatchway, build it up and throw it around in the air, the very concrete yet lightweight material disrupts the transient state.
But these moments are easily forgotten when the dancers start walking in circles in a perpetuum mobile; or stand still and raise their hands to the moon; or take up the carpet tiles as if finally to dig up the truth from the earth. In the end, no secrets are revealed, nothing is made comprehensible. The Quiet is and will forever be a place of mysticism.
The bottom line: A serene and dark place of wonder – just sit back and let it happen
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20190310
Juliane Wieland, Tanzschreiber
Zeitreise ins Nirgendwo und Nirgendwann
Sphärische Erinnerungen an Rituale einer unbestimmten Zeit. Jefta van Dinther kreiert mit „The Quiet“ einen tiefen, bedrückenden Unwirklichkeitsraum im HAU 2, der die Gesetze von Zeit und Raum neu formuliert.
Fünf Frauen in identischer sandfarbener Funktionskleidung, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint, bewegen sich vorsichtig tastend in ihren leichten Steppwesten, wadenlangen Röcken, weißen Socken und Turnschuhen über die Bühne. Der Abend gleicht einem bodenlosen Eintauchen in eine dunkle Raum-Zeit-Kapsel, die das Publikum 60 Minuten lang gefangen nimmt und in eine unheimliche Leere hineinzieht. Maximale Immersion.
„The Quiet“ erscheint als Reise, die sich nicht auf Vergangenheit oder Zukunft festlegen lässt, aber verkörperte Erinnerungen einer eng verbundenen, weiblichen Gemeinschaft in einem gedehnten Zeitkontinuum ausstellt.
Diese fünf Performerinnen stehen allesamt in einer bedeutsamen, langjährigen Beziehung zu dem schwedischen Choreographen Jefta van Dinther, der schon seit vielen Jahren in Berlin lebt. Der Cast seiner neuesten Produktion hat in den unterschiedlichsten Konstellationen mit van Dinther gearbeitet und bis zu dem Produktionsprozess zu „The Quiet“ seit einigen Jahren nicht mehr aktiv auf der Bühne gestanden. Die Frauen sind zwischen 40 und 61 Jahren alt und man sieht und spürt, wie stark ihre Körper von der Bewegungssprache Jefta van Dinthers geprägt sind. Der Choreograph hat eine Arbeitsweise entwickelt, die in die Tiefen physischer und psychologischer Strukturen eindringt. Body-Mind-Centering und andere Techniken der Körperarbeit werden in den Proben genutzt, um eine Bewegung von innen nach außen und vice versa zu erfassen, dem Körper in der Bewegung zuzuhören im Sinne eines Erspürens aus allen Ecken und Winkeln.
Für die Performance wurde ein spezielles Toolkit entwickelt, das komplexe Bewegungsqualitäten komponiert, die auf sehr simple und alltägliche Bewegungsmuster wie das Gehen projiziert werden. Im Publikumsgespräch erzählt Jefta van Dinther, dass sie sich monatelang nur mit der Praxis des Gehens beschäftigt haben. Über die Zeit und die Auseinandersetzung mit etwas sehr Vertrautem entsteht eine neue Dimension im Erfahren und Wahrnehmen. Nicht nur Bewegungsmuster werden hier aus ihrem üblichen Kontext genommen, auch die Zeiterfahrung wird so stark manipuliert, dass die Zeit extrem gedehnt erscheint, ohne dass die Performance eine Länge bekommt, die einen auf ein baldiges Ende hoffen lässt. „The Quiet“ ist das bisher am wenigsten tänzerische Stück des Choreographen, lässt aber die enorme Dichte in den psychologisch informierten Bewegungsstudien erkennen.
Fluide Bilder ziehen sich durch Szenen eines Play-Fights, eines schwebenden Zeltes oder des Tragens von grauen Bodenbelag-Platten. So wie die Teile eines Puzzles werden graue Bodenplatten sorgfältig in Slow Motion ausgelegt und geräuschlos ineinandergesteckt, um gegen Ende der Aufführung wieder dekonstruiert zu werden. Schicht um Schicht häutet sich der Raum (und nicht wie sonst oft die textilen Schichten der Performer*innen). Eine Bodentür – unter diesen tragbaren grauen Steck-Platten – wird wie eine Dachbodenluke geöffnet und lässt ein orange-rotes Lichtrechteck zum Treffpunkt einer Versammlung wie um ein Lagerfeuer werden. Designt von der langjährigen Künstlerkollegin Minna Tiikkainen, bekommt das Licht eine zentrale und transzendentale Bedeutung: Immer wieder richten sich die Performerinnen nach der Quelle des Lichts aus, die ritualhaft umkreist wird. Selbst so alltägliche Objekte wie ein Bühnenscheinwerfer oder Klappstühle bekommen in diesem Setting die Wandlungsfähigkeit eines magischen Gegenstandes. Die Stangenkonstruktion auf der Bühne, die einem halbfertigen Klettergerüst ähnelt, deutet das Skelett eines Raumes an, der maximal unbestimmt ist und offen für jegliche Assoziationen bleibt.
Muster und Strukturen werden kontinuierlich erschaffen und wieder aufgelöst, nichts ist von Dauer und trotzdem dauert es an. Jefta van Dinther hat Bilder, Klänge und kurze Dialoge kreiert, die aus dem Nichts entstehen, sich im nächsten Moment wieder auflösen, und trotzdem auch Stunden und Tage nach der Performance immer mal wieder in der Erinnerung aufleuchten.
Anna Katharina Laggner, Tanzquartier
What we need and who provides it to us
Writing and dancing are related. While the latter can do without words entirely, both need the body, a medium that breathes and lives, that feels and communicates, and that, in order to create vibrations in another person, stimulate their spirit, touch them emotionally (a trite yet reasonable expectation from art), should possess a precise quality.
The precise is banal (while the complicated is only complicated), banal not in the sense of empty of meaning or unimaginative but as a sequence of the ordinary, that is, of what constitutes life. Nobody moves the world, it does so all by itself. We move in the space that is specific to us, in the language that is unique to us, in the body that is unique to us.
In her novel “Unquiet”, writer Linn Ullmann recounts the slow fading-away of her father, world-famous director Ingmar Bergman, who, as the reader learns, cherished structure above all else. His everyday life was strictly arranged into hours of writing, hours of walking, hours of eating, hours of films, which he showed for himself, his children and any guests in the private cinema at his home on the Swedish island of Fårö. Even though Bergman was married five times and had nine children, he still lived his life without making any compromises (according to the novel, at any rate). On the contrary, he always did as he saw fit – now that I come to think about it, this could be a reason why he was married five times and had nine children. But that’s just an aside.
Towards the end of his life he became demented, lost his language but not his structure. His daughter Linn, the writer, wants to make a record of what is still left and tries to find ways, within the scope of the Bergman structure on Fårö, to ask the father questions and put the conversations on tape. All of this goes hopelessly wrong in her eyes and extremely unsettles her, so that she won’t even listen to the recordings for many years. She dismisses the tapes until she begins to tap into the conversations of which she expects great things but which turn out to provide that which constitutes basal life, namely small, inconspicuous tasks and essentials. At one point, the father, the great Ingmar Bergman, speaks of the “thing with walls”, meaning a room. This is what inspired Jefta van Dinther to create The Quiet. Which won’t notice if you don’t know, and don’t need to know. Jefta van Dinther picks up where Ingmar Bergman – via Linn Ullmann – left off. Van Dinther has set the “thing with walls” into vibration, he lets it pass through himself and makes a new suggestion. If viewed as a medium that breathes, art is always a suggestion (not a position).
There are five dull figures (things with a skin) on stage, hardly any light, a metal frame structuring the space and variable squares structuring the floor. The beige-clad women wear smocks, short trousers and down vests – a piece of clothing that, like few others, protects, strengthens and structures the body. It would be possible for them to be knights, but they will never find each other as a group and, as individuals, remain seekers. Silent, solitary and isolated, they look around furtively, watch how the others are doing it. Even in the few moments of moving forward, they always have to look behind and to the side. Even when they do something together, there is always an outsider (a figure that may serve to define a group). What they’re looking for? Probably the light, the supernatural, the cure. What they find? A glittering surface underneath the floor puzzle which gives them hope that life, after all, isn’t just a banal variation of unchanging sameness before it’s over.
Movements, words, sounds and light communicate with each other, react to each other, you can say hello to darkness (my old friend), you can see loneliness in silence but also the spirits of disembodied souls that continue to vibrate.[3] They have something to impart to us, the living ones: clues, from generation to generation. We can make decisions, can go beyond the limits of normality, into madness, into frenzy, but there’s one thing we cannot do: live without structure.
Without structure we lose ourselves, the structure is the heartbeat of everyday life. Every signal has an effect. When there’s a whisper, the wind blows, when there’s a roar, it’s a hurricane, when we hear gulls, we think of the sea, and when cutlery falls to the floor, we know that something’s happened. Everything is that simple, but if we hadn’t learned it, if nobody had taught us, we would be lost.
We have to keep going, sit down in between times, (for some ridiculous reason) we have to defend our space using our fists and, when it gets crowded in the protective tent, we have to form alliances.
But where is the love that pervades life? And why does rain trickling down windowpanes have a soothing effect on us?
Anna Katharina Laggner, Tanzquartier
Was wir brauchen und wer es uns gibt
Das Schreiben und der Tanz sind Verwandte. Zwar kann zweiterer ganz ohne Worte auskommen, aber beide brauchen den Körper, ein Medium, das atmet und lebt, das fühlt und vermittelt und das, um beim Gegenüber Schwingungen zu erzeugen, den Geist eines Gegenübers zu stimulieren, das Gegenüber emotional zu berühren (was eine genauso abgedroschene wie gültige Erwartung an die Kunst ist), eine präzise Kraft haben sollte.
Das Präzise ist banal (während das Komplizierte nur kompliziert ist), banal nicht im Sinne von inhaltsleer oder einfallslos, sondern als Aneinanderreihung des Gewöhnlichen, dessen also, was das Leben ausmacht. Niemand bewegt die Welt, das tut sie schon selbst. Wir bewegen uns in dem uns spezifischen Raum, in der uns einzigartigen Sprache, in dem uns einzigartigen Körper.
Die Schriftstellerin Linn Ullmann erzählt in ihrem Roman „Die Unruhigen“ vom langsamen Verschwinden ihres Vaters, des weltberühmten Regisseurs Ingmar Bergman, der, wie man erfährt, nichts so sehr schätzte wie die Struktur. Sein Alltag war strikt eingeteilt in Stunden des Schreibens, Stunden des Gehens, Stunden des Essens, Stunden der Filme, die er für sich, seine Kinder und etwaige Gäste im Privatkino in seinem Domizil auf der schwedischen Insel Fårö zeigte. Bergman war zwar fünfmal verheiratet und hatte neun Kinder, führte aber dennoch ein Leben, in dem er (so vermittelt es zumindest der Roman) keine Kompromisse einging, sondern immer für sich selbst bestimmte, was – jetzt, da ich darüber nachdenke – ein Grund dafür gewesen sein mag, dass er fünfmal verheiratet war und neun Kinder hatte. Aber das nur nebenbei.
Gegen Ende seines Lebens wurde er dement, verlor seine Sprache, nicht aber seine Struktur. Seine Tochter Linn, die Schriftstellerin, möchte festhalten, was noch da ist, und versucht, in der Bergman’schen Struktur auf Fårö Möglichkeiten zu finden, dem Vater Fragen zu stellen und die Gespräche aufzuzeichnen. All das geht in ihren Augen heillos schief und verunsichert sie enorm, sodass sie sich jahrelang diese Aufnahmen nicht einmal anhören wird. Sie verdrängt die Kassetten, bis sie beginnt, hineinzutapsen in diese Gespräche, von denen sie sich Großes erwartet, aber das bekommt, was das basale Leben ausmacht, nämlich die kleinen, unscheinbaren Verrichtungen und Notwendigkeiten. An einer Stelle spricht der Vater, der große Ingmar Bergman, vom „Ding mit Mauern“ und meint damit den Raum. Das hat Jefta van Dinther zu The Quiet inspiriert. Was man, wenn man es nicht weiß, nicht bemerkt und auch nicht wissen muss. Jefta van Dinther nimmt den Ball auf, den Ingmar Bergman via Linn Ullmann angerollt hat, das „Ding mit Mauern“ hat van Dinther in Schwingung versetzt, er lässt es durch sich durch und macht einen neuen Vorschlag. Kunst ist im Verständnis eines Mediums, das atmet, immer ein Vorschlag (und keine Position).
Auf einer Bühne fünf matte Gestalten (Dinger mit Haut), kaum Licht, ein Metallgestänge, das den Raum und variable Quadrate, die den Boden strukturieren. Die beige gekleideten Frauen tragen Kittel, kurze Hosen und Daunengilets, ein Kleidungsstück, das, wie wenige andere, den Körper schützt, stärkt und strukturiert. Sie hätten die Möglichkeit, Ritterinnen zu sein, aber sie werden sich als Gruppe nie finden und als Individuen Suchende bleiben. Still, einsam und allein, schauen sie verstohlen, beobachten, wie’s die andere macht. Selbst in den wenigen Momenten des Voranschreitens müssen sie immer Rück- und Nebenschau halten. Auch wenn sie etwas gemeinsam tun, gibt es immer eine Außenseiterin (auch eine solche Figur kann eine Gruppe definieren). Was sie suchen? Wahrscheinlich das Licht, das Übernatürliche, die Heilung. Was sie finden? Unter dem Bodenpuzzle einen glitzernden Untergrund, der sie hoffen lässt, dass das Leben doch nicht nur eine banale Variation des Immergleichen ist und dann vorbei.
Bewegungen, Worte, Geräusche und Licht kommunizieren miteinander, reagieren aufeinander, man kann die Dunkelheit begrüßen (my old friend), man kann in der Stille die Einsamkeit sehen, aber auch die Geister der körperlosen Seelen, die weiterschwingen. Sie haben uns Lebenden etwas zu vermitteln: Hinweise, von Generation zu Generation. Wir können entscheiden, können die Grenzen der Normalität überschreiten, in den Wahnsinn, in die Raserei, aber eines können wir nicht: ohne Struktur leben.
Ohne Struktur gehen wir uns selbst verloren, die Struktur ist der Herzschlag des Alltags. Jedes Signal hat eine Wirkung. Wenn es säuselt, dann weht der Wind, wenn es wummert, ist’s ein Orkan, wenn wir Möwen hören, denken wir ans Meer, und wenn Besteck runterfällt, dann wissen wir, jetzt ist was passiert. So einfach ist alles, aber hätten wir es nicht gelernt, hätte niemand es uns beigebracht, wir wären verloren.
Wir müssen gehen und gehen und gehen, dazwischen uns setzen, wir müssen (aus irgendeinem lächerlich wirkenden Grund) unseren Raum mit Fäusten verteidigen und, wenn’s eng wird im schützenden Zelt, Allianzen eingehen.
Aber wo verbirgt sich die Liebe, die das Leben erfüllt? Und warum beruhigt uns Regen, der auf Fensterscheiben tropft?
Project
The Quiet
The Quiet brings together five women in an unsettling choreography of the ordinary. They are quiet in action, set in motion by expressions of oral traditions.
Reciting, chanting and praying, they forcefully move into and out of defined and defining patterns, propelling the quotidian into transcendence.
By calling attention to that which is transmitted across generations, The Quiet engages with time in some of its overlooked forms: the taking of time, the passing of time, the falling out of time.
Credits
Choreography: Jefta van Dinther | Created and performed by: Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos, Agnieszka Dlugoszewska, Kristine Slettevold and Linda Adami | Lighting design: Minna Tiikkainen | Set design and costume: Cristina Nyffeler | Sound: David Kiers and Slowdive (for the track Falling Ashes) | Voice: Lisa Drake | Text: Jefta van Dinther, Alexandra Campbell, Lisa Drake, Cecilia Roos and Mandoline Whittlesey | Assistant choreographer: Thiago Granato | Artistic advice: Gabriel Smeets | Technical coordination: Bennert Vancottem | Sound technician: Stephan Woehrmann | Thanks to: Anna Grip and Pia Krämer
The Quiet is a production by Jefta van Dinther | Manager: Emelie Bergbohm / Bohm Bohm Room | Production management: Annie Schachtel | Distribution: Key Performance | Administration: Interim kultur AB (svb) and HAU Hebbel am Ufer (Berlin) | Co-production: HAU Hebbel am Ufer (Berlin), Norrlandsoperan Umeå, Riksteatern Sweden, Dansehallerne Copenhagen, Centre choréographique national de Montpellier Occitanie direction Christian Rizzo, Tanzquartier Vienna, Sadler’s Wells London, PACT Zollverein Essen, Centre chorégraphique national d’Orléans, Theater Freiburg, Festival Montpellier Danse 2019 and Julidans Amsterdam | Funded by: Swedish Arts Council, City of Stockholm and HKF Hauptstadtkulturfonds (Berlin) | Supported by: O Espaço do Tempo Montemor-o-Novo, BUDA Arts Centre Kortrijk, Swedish Embassy in Portugal, The Swedish Arts Grants Committee
Visuals
©Ben Mergelsberg
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